Die Pflanzen blühen vorwiegend morgens. Ihre Früchte hängen tief. Ihr Fleisch ist rot und saftig. Sie riechen erdig, süss und erinnern an Blut. Die klebrige Masse bleibt am Gaumen hängen und erst mit Wasser nachgespült lösen sich die süssen Schleimbrocken ab und rutschen die Speiseröhre runter. Gemächlich.
Nach der Pause wandte er sich wieder der Arbeit zu. Auf seiner Pendenzenlisten fanden sich mehrere Aufgaben, für die er später noch genügend Zeit haben wird und die ihn für länger beschäftigen werden. Das Wichtigste vor den Ferien war erledigt. Er sah mit Zufriedenheit die wohlig warme Liste und merkte, dass er – dank der Liste – alles im Griff, im Blick hatte. Es konnte kommen, was wolle oder es konnte auch Neues kommen. Neue mit ihren Geschichten und Fragen, die Antworten verlangen. Wie kleine Spielzeugschiffe, die an Schnürchen möglichst unbeschadet durch einen Bach gezogen werden. Die Schiffli. Der Bach, wie ein Verfahren. Wer im Schiff sitzt, ist trotz aller Navigationskunst letztlich von Wind und Wetter abhängig und im Falle des Spielzeugsschiffes vom Ziehen, fast gottgleich, der mal mit, mal gegen den Strom das Schiffchen entlang zieht, ohne sich dabei zwingend die Füsse nass machen zu müssen.
Er schloss die Pendenzenliste wieder und widmete sich nun einer weiteren Aufgabe, deren Angriff er lange Zeit hinausgeschoben hat.
Er griff zum Telefon.
«Hier …! Hallo! Ich wollte mich bei Ihnen über die aktuellen Absperrungen in den Strassen erkundigen. Sie sind überall, sehen Sie, bereits vor Wochen hingestellt worden. Was ist der Grund für das frühe Aufstellen?». Die Frage stiess scheinbar auf wenig Verständnis. Es gehe darum möglich alle zu erreichen, auch jene Anwohner, die längere Zeit abwesend seien und solche, die Vorkehrungen zu treffen hätten, wie etwas das Suchen eines Ersatzparkplatzes oder eines Garagenplatzes. Die Leute bräuchten viel Zeit. Und so weiter und so fort. Und trotz Vorankündigung, Wochen vor dem Anlass, könnten nie alle Leute erreicht werden. Der Aufwand für das Gemeinwesen, der als Folge der Nichtbeachtung der Absperrungen entsteht, bleibe erfahrungsgemäss immer noch gross.
Er konnte sich nicht mehr recht besinnen, ob sie am anderen Ende der Leitung von «gross» oder von «erheblich» sprach, dies gleichwohl irrelevant, für ihn doch ein Zeichen hätte sein können, ob seine Anfrage mit Ernsthaftigkeit beantwortet würde. Er verzichtete daraufhin noch ergänzend zu fragen, nachzuhacken, ob das Anbinden von Schafen oder Ziegen auf den freien Parkflächen oder in abgezonten Veloabstellflächen erlaubt wäre; notabene ohne Streu oder Strohgrundlage, nur temporär, da kurz nach dem Grossereginis alle Strassen eine Tiefenreinigung erhalten würden. Das bisschen mehr Dreck würde kaum merkbare Mehrarbeit bringen.
Nach dem Gespräch stand er am Fenster, zündete sich eine Zigarette an und dachte an die kommenden Tage in den Bergen. Ferien. Er freute sich: auf den Tapetenwechsel, auf die Pisten und das alte Haus, in dem er schnell ein wenig fror. Dieses Risiko schnell zu frieren, sorgte immer auch zu einem Stück Mehr an Heimeligkeit.
Er dachte nach. Er suchte nach Themen für eine neue Arbeit. Und er dachte zuerst an die Titel. Natürlich könnte eine künftige Arbeit auf Englisch verfasst werden, um die Reichweite möglicher Leser zu erhöhen. Die Vorschläge für die Dissertationen waren die Folgenden:
Scoring Thoughtless Object: Law in the Primitive
Penetratric White Racism: Law and/in the Abject
12 Least Favorite Criminal Codes
Eugen Huber’s Journey to Tibet: ZGB in Buddhism
Crime, Contracts and Cold Coffee. Side-negotiations at the Congress of Vienna and their culinary implications for factory canteens.
Ein mageres Resultat. Er verwarf alle Ideen und machte sich jedoch ein paar Notizen für später. Überlegungen. Das Telefon klingelte, doch er hob nicht ab, da es ihm bereits zu spät schien, noch Anrufe entgegen zu nehmen.
(13.2.2018)